Du hast bereits viele spannende Charaktere vorbereitet und sie vielleicht bereits mit meinem Guide zur Charaktererstellung ausdefiniert. Dann ist es jetzt an der Zeit sie in deiner Geschichte richtig aufblühen zu lassen. Das ist einer der wichtigsten Punkte beim Schreiben eines Buches, denn der Leser fühlt sich durch deine Figuren mit der Buchwelt verbunden.

 

Warum ist Charakterentwicklung wichtig?

Egal ob Mensch, Ork oder Katze – lebendige Wesen sind für die meisten Geschichten essenziell, da sie Emotionen erlebbar machen und bestimmende Handlungen ausführen. Doch sie dienen nicht nur der übergeordneten Geschichte, sondern sollten auch eine eigene Entwicklung bieten. Denn vor allem Menschen sind keine statischen Objekte, die immer gleich reagieren. Lediglich wenige Charaktere können verharren – wie ein absolut apathischer und uneinsichtiger Bösewicht. Aber auch bei solchen ist eine gewisse Entwicklung spannend. Vielleicht bleibt er „böse“, aber lernt trotzdem aus seinen Fehlern. Alternativ könnte er auch nicht aus seinen Fehlern lernen und deshalb irgendwann Einsicht zeigen.

Katze in einem Bücherregal; Beitragsbild von einem Beitrag über Charakterentwicklung

Egal, wie du es anstellst: Am nachvollziehbarsten sind Charaktere, die sich nachvollziehbar verändern. In diese kann man sich wesentlich besser hineinversetzen, denn der Leser bemerkt ebenfalls, was ein Charakter für Fehler macht oder wie ihn bestimmte Situationen verändern könnten.

Letztendlich haben deine Charaktere, genau wie deine Buch-Welt, eine Hintergrundgeschichte oder sollten diese zumindest haben. Das sorgt für mehr Glaubwürdigkeit und emotionale Tiefe.

 

Der Ausgangspunkt

Jeder Charakter, den du einführst, startet an einer gewissen Stelle in seinem Leben, besitzt gewisse Charaktereigenschaften, Ansichten und vermutlich auch Fehler. Denke vielleicht bereits beim Ausarbeiten deiner Geschichte daran, wie dein Protagonist am Ende der Geschichte sein soll. Dann nimmst du ihm die ein oder andere Charaktereigenschaft oder Fähigkeit weg, die er auf dem Weg lernen kann. Wenn du das bei all deinen Charakteren machst und die Handlung dementsprechend planst, dann kommst du einfacher zum gewünschten Ergebnis. Jemanden mit dieser Herangehensweise kann man als Planer bezeichnen.

Aber es gibt noch eine andere Methode, die mir persönlich ebenfalls viel Spaß macht: das Gärtnern. Das bedeutet, dass man zwar einen Ausgangspunkt hat, aber den Charakter organisch wachsen lässt, während man schreibt. Man weiß also selbst noch nicht, wo es hingehen soll. Hier ist allerdings Vorsicht angebracht, denn man kann den Überblick verlieren, wenn es zu viele solcher Charaktere und Handlungsstränge werden. Dann wirkt es schlussendlich vielleicht chaotisch oder sogar gänzlich unorganisch.

Deshalb meine liebste Herangehensweise: Eckpunkte setzen und organisch dorthin gelangen. Das bedeutet, dass ich Charaktere zwar organisch handeln lasse, aber einige wichtige Punkte der Geschichte erreicht werden. Nicht selten kommt es bei dieser Methode aber dazu, dass ich die Geschichte letztendlich doch noch einmal umschreiben muss, weil es sich nicht mehr natürlich anfühlt, wie ein Charakter handelt. Diese Vorgehensweise ist also nur etwas für dich, wenn du bereit bist deine Handlung nachzujustieren und dir zutraust, die Notwendigkeit dafür richtig einzuschätzen.

Wie du dich auch entscheidest, letztendlich ist der Schreibprozess ohnehin dynamisch und vielleicht ändert sich deine Methode sogar mitten im Buch. Du kannst auch einige Charaktere mit der einen Methode und wiederum andere mit einer anderen Vorgehensweise schreiben. Die Entscheidung liegt ganz bei dir. Manchmal muss man sich auch erst gründlich ausprobieren.

 

Der Weg

Nun zum Kernelement der Charakterentwicklung: Dem Weg, den der Charakter beschreitet. Hier ist das Zauberwort „Nachvollziehbarkeit„. Wie so oft ist es am wichtigsten, dass der Leser versteht, was mit den Charakteren passiert, warum sie ihre Einstellungen ändern und warum sie das tun, was sie tun. Das kann außerordentlich schwierig oder verblüffend einfach sein. Als Gärtner lässt du deine Figuren natürlich auf die Umwelt reagieren und die Glaubhaftigkeit ist oft automatisch gegeben, wenn du die Denkweise von Menschen halbwegs nachvollziehen kannst.

Falls du das üben möchtest, versuche im Alltag auf deine eigenen Reaktionen und Beweggründe zu achten. Diese Selbstreflexion kann dir vermutlich beim Schreiben helfen. Aber behalte immer im Hinterkopf, dass andere Menschen auch anders reagieren können. Vielleicht fragst du dich einfach, wie dein Charakter, der andere Eigenschaften hat, in dieser Situation reagiert, was er dabei gedacht und gefühlt hätte. Das ist eine spielerische Methode, um das eigene Schreiben ganz einfach zu verbessern.

Die Planer stellen sich dafür einer anderen Herausforderung: sie müssen an bestimmten Punkten ankommen. Diese Punkte geben Sicherheit und machen das Finden des Endpunktes einfacher, aber dafür den Weg dafür umso komplexer. Denn hier muss der Planer bestimmte Situationen in die Geschichte verbauen und sich dann an diese halten. Diese Schienen sind für manche Autoren der liebste Weg, denn man kann sich auf den Umgang mit den Wörtern konzentrieren und muss weniger häufig nachträglich maßgeblich Anpassungen durchführen. Für andere sind diese Vorgaben eine Fessel, die den Schreibfluss oder die Spontanität einschränkt.

Wie ich bereits erwähnte, finde ich deshalb eine Mischform optimal, aber das musst du für dich herausfinden. Schreibe hierfür vielleicht testweise mit jeder Methode eine Kurzgeschichte und frage dich, ob du so auch an dein Buch herangehen könntest. Denn an diesem wirst du voraussichtlich wesentlich länger arbeiten.

 

Der Endpunkt

Falls du ein Planer bist, dann legst du den Endpunkt bereits zusammen mit dem Ausgangspunkt fest. Als Gärtner möchtest du dich vielleicht selbst davon überraschen lassen. Egal wie du dich entscheidest, eines ist sehr wichtig: Der Charakter sollte mindestens eine Erkenntnis erhalten oder Schwäche überwunden haben. Das reine Erreichen eines Zieles ist vielleicht gut für die Geschichte, aber bei der Charakterentwicklung geht es darum, dass sich eben auch die Charaktere weiterentwickeln.

Sorge also dafür, dass du dem Leser deutlich machst, was der liebgewonnene Charakter aus dem Abenteuer mitgenommen hat. Dafür habe ich hier eine kleine Liste an möglichen Zielen der Charakterentwicklung für dich zusammengestellt:

  • Welche Charakterschwäche wurde überwunden?
  • Welche Lektion wurde gelernt?
  • Welche Fähigkeit wurde erworben? (Achtung: diesen Punkt am besten nur in Kombination mit einem anderen verwenden)
  • Welche Einsicht wurde erhalten?
  • Welcher Verlust wurde überwunden?

Für einen Protagonisten bedeutet der Endpunkt oft, dass er einen Fehler überwindet. Ein Antagonist hingegen zerbricht meist an seiner Uneinsichtigkeit. Diese Konstellation ist einfach, aber effektiv. Sie hat sich bewährt und du kannst sie jederzeit einsetzen, wenn du vielleicht noch nicht ganz sicher bist, ob du anders an die Charakterentwicklung herangehen möchtest. Suche auch hier gerne nach unerwarteten Wendungen, die nachvollziehbar sind und damit die gesamte Geschichte aufwerten. Über spannende Wendungen habe ich bereits im Detail geschrieben und ich freue mich, wenn du auch einen Blick in diesen Beitrag wirfst.

 

Eine gute Charakterentwicklung kann also das Buch auf eine völlig neue Stufe heben oder sogar der Kern der Geschichte sein. Falls du auch möchtest, dass ich mich noch etwas weiterentwickeln kann, dann schreibe mir gerne Feedback oder Themenvorschläge per Social Media, über mein Kontaktformular oder direkt per E-Mail an frage@kados.media. Ich hoffe, ich konnte dir mit diesem Beitrag weiterhelfen.

Ich wünsche viel Spaß beim Lesen und Schreiben!

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Medienschaffender und Autor der Buchreihe "Die Legende von Kados" sowie der Beiträge dieser Website.