Minuten, Meter und mehr. Passt das in mein Buch? Diese Frage stellt sich besonders Fantasy- und Sci-Fi-Autoren. Ein wirklich interessantes Thema, denn nicht selten kommt es vor, dass sich die erdachten Welten stark von der wirklichen Welt unterscheiden. Das bedeutet, dass Namen, Kulturen und auch Maßeinheiten vielleicht völlig anders sind. Am besten bedenkt man das schon, bevor man das Buch schreibt. Denn damit kann man sich eine Menge Zeit und gegebenenfalls Umrechnungen bei der Nachbearbeitung sparen.

 

Neuerfindung ein Muss?

Zuerst zu der Frage, ob man sich wirklich alle Maßeinheiten selbst ausdenken muss. Die klare Antwort: Nein. Obwohl es vielleicht auf viele, wie auch auf mich, verlockend wirkt.

Schließlich möchte man eine eigenständige Welt schaffen, die für sich selbst steht. Man möchte den Leser tief in die Welt eintauchen lassen und diese wirklich interessant gestalten. Wenn möglichst wenige Eigenwörter aus unserer realen Welt im Buch Verwendung finden, dann kann das dazu beitragen. Andererseits ist es manchmal auch frustrierend, wenn man als Leser nicht nachvollziehen kann wie lang ein „Schmeter“ ist oder wann ein „Schmunde“ endet. Und ist ein „Schmeuro“ eigentlich viel wert? Das sind Fragen, die man klären muss – zumindest meistens. Dazu habe ich euch die folgenden Beispiele und Tipps zusammengefasst.

 

1. Geld

Geld ist wohl am einfachsten. Denn auch heutzutage gibt es mehr als eine Währung. Wenn du eine Währung erfindest, dann zeige ihren Wert am besten durch Sätze wie: „Borko brauchte noch Vorräte. Er ging zum Markt und kaufte sich ein Brot für 3 Schmeuro. Außerdem besorgte er sich beim Schmied ein Schwert für 400 Schmeuro und eine fein gearbeitete Goldkette für die Prinzessin für 2000 Schmeuro.“

Natürlich sind diese Sätze sehr plump, aber sie verdeutlichen, wie man den Wert einer Währung einführen kann, ohne die derzeitige Konjunkturlage des Königreichs zu erörtern. Harte Währungen wie Gold, Edelsteine oder Perlen sind übrigens selbsterklärender und können auch zur Verdeutlichung von Werten eingesetzt werden oder sogar als das gängige Zahlungsmittel verwendet werden.

Zusammengefasst kann man sagen, dass eine Fantasie-Währung nicht sehr schwer einzuführen ist. Nichtsdestotrotz ist es in den meisten Fällen wirklich wichtig, sich eine fiktive Währung auszudenken, denn es kann sehr merkwürdig wirken, wenn ein Fantasy-Zauberer oder der Kapitän eines Sci-Fi-Raumschiffes mit Euro oder Dollar zahlt. Das soll dich natürlich nicht davon abhalten reale Währungen zu verwenden, wenn du das trotzdem machen möchtet. Falls du dir nichts ganz neues ausdenken möchtet, dann kannst du auf klassische Bezeichnungen, wie „Gulden“, „Credits“ oder „Goldmünzen“ zurückgreifen. Da weiß nahezu jeder sofort, dass es sich um eine Währung handelt. Den Wert zeigst du am besten trotzdem.

Falls die Währung in deiner Geschichte nie vorkommt, dann brauchst du dir diese Gedanken zwar theoretisch nicht machen, aber es hilft trotzdem beim Erschaffen der Welt. Wie man das angeht, erfährst du in meinem Beitrag über Worldbuilding. Bei „Die Legende von Kados“ gibt es beispielsweise zu Anfang keine Währung. Es wird hauptsächlich Tauschhandel betrieben. Auch das kann man in Betracht ziehen. Erst in späteren Büchern wird eine Währung eingeführt, welche den Schwankungen der Zeit unterliegt und sogar eine Rolle in der Geschichte einnimmt.

Währungen können die Geschichte also nicht nur unterstützen, sondern manchmal sogar zu einem wichtigen Element in der Erzählung werden. Hauptsache es wird nicht zu verkopft und langweilt oder verwirrt den Leser sogar im schlimmsten Fall. Nicht vergessen: der Leser braucht nicht immer alle Informationen, die du brauchst, um das Buch glaubwürdig zu schreiben.

 

2. Längen- und Größeneinheiten

Bei Längeneinheiten wird es etwas schwerer. Hier empfiehlt es sich oft beim metrischen oder zentrischen System zu bleiben. Vielleicht nennt man den „Meter“ einfach „Schmeter“ und nimmt etwas Bekanntes als Referenz, um dem Leser das zu zeigen. Wie wäre es mit: „Der Mann war mit 1,80 Schmetern von durchschnittlicher Größe.“ Schon weiß man, dass ein „Schmeter“ wohl in etwa ein „Meter“ ist – zumindest im Verhältnis zur realen Welt. Bei „Die Legende von Kados“ verwende ich sogar einfach unverblümt das metrische System. Meiner Meinung nach fällt das nicht wirklich negativ auf, weil „Meter“, „Zentimeter“ und „Kilometer“ ja ohnehin schon eher abstrakt klingende Begriffe sind, die gut in die sonstige Sprache meines Buches passen.

Wenn man sich aber komplett von etablierten Größeneinheiten entfernen möchte, dann kann man selbstverständlich tun. Man kann zum Beispiel ungefähre Größen wie „mannshoch“ oder „vier Schritt lang“ nutzen. Die Erstellung eigener Einheiten ist jedoch auch möglich. Ein „Schmeter“ könnte ja auch 40 Zentimeter lang sein. Und ein „Schmilometer“ erstreckt sich vielleicht über 4,7 „Schmeter“. Dann ist ein „Schmilometer“ umgerechnet 188 Zentimeter lang (4,7*40 Zentimeter).

Zu umständlich? Für mich schon.

Vor allem je mehr erfundene Einheiten dazu kommen. Aber es ist und bleibt eine Möglichkeit. Vielleicht möchte man ja auch nur eine zusätzliche Einheit in ein bereits bestehendes System aufnehmen. Es könnte ja sein, dass man unbedingt eine Einheit für einen halben Meter benötigt. Dann nennt man den einfach „Halbmeter“ und hat etwas Neues, das einfach zu verstehen ist. Für die Komplexität sind nach oben natürlich keine Grenzen gesetzt – ich empfehle aber ein möglichst leicht zu verstehendes System zu etablieren, um den Lesefluss zu erhalten.

 

3. Zeit

Die Zeiteinteilung kann das meiste Kopfzerbrechen bereiten. Für die meisten Bücher empfiehlt es sich, einfach bei den Stunden, Tagen und Jahren zu bleiben. Denn das verstehen wir. Wir wissen, dass es normal sein kann 8 Stunden pro Tag zu arbeiten. Aber ist es viel schwerer auf Anhieb einzuschätzen, ob jemand der 6 Ticks pro Umdrehung am Werkeln ist, schon Überstunden leistet – oder?

Wenn du hier, wie ich es schon bei den Längen und Größen vorgeschlagen habe, nur die Begrifflichkeiten veränderst, aber unsere Erden-Zeiteinteilung grundlegend beibehaltet, dann bleibt alles relativ zugänglich. Vielleicht änderst du auch nur die Länge deines Jahres. Vielleicht hat es 372 Tage oder nur 350. Bei eher geringen Unterschieden zur Wirklichkeit bleibt alles vergleichsweise nachvollziehbar. Sind deine Wochen allerdings plötzlich doppelt so lang, die Tage halb so kurz und eine Stunde dauert 4 Minuten, dann kommt der Leser vielleicht bald nicht mehr hinterher.

Dann kann es sich lohnen ein komplett frisches System zu etablieren und die alten Gewohnheiten über Bord zu werfen. Doch Achtung: das kann verwirrend sein, vor allem wenn es um das Alter von Charakteren oder Reisedauern geht. Lasst uns als Beispiel ein neues System erfinden. Dafür ist unser Astronaut Borko extra auf den Planeten Schmerde geflogen. Der dreht sich etwas schneller um die eigene Achse als die Erde und umkreist die Sonne doppelt so flott. So kommt Folgendes zustande:

 

Erdentag = 24 Erdenstunden
Erdenjahr = 365 Erdentage
Schmerdentag = 21 Erdenstunden = 0,875 Erdentage (weil 21 zu 24 sind 87,5%)
Schmerdenjahr = 182,5 Erdentage (weil doppelt so kurze Jahre)
182,5 Erdentage  = 208,6 Schmerdentage (weil Erdentage geteilt durch 87,5%)
Ein Schmerdenjahr besteht also aus circa 208,6 Schmerdentagen.

 

Zur Probe können wir die Schmerdentage nochmal mit 21 multiplizieren und das Ergebnis durch 24 teilen. Dann kommen wir wieder bei den 182,5 Erdentagen heraus.

Sicher ist das für „Matheprofis“ ein kleineres Problem, aber ich finde sowas schnell verwirrend. Man bedenke, dass da noch keine kleineren Zeiteinheiten, wie Sekunden und Minuten eingerechnet sind und eigentlich auch die Schmerdenstunde fehlt.

Wenn du damit kein Problem hast und es dir zutraust, die neue Zeiteinteilung zu etablieren, dann kannst du das selbstverständlich tun. Alternativ kannst du natürlich auch vage bleiben und den Leser indirekt darauf hinweisen, wie lang bestimmte Einheiten sein könnten. Hauptsache man kann verstehen was passiert und fühlt sich nicht überfordert.

Bei „Die Legende von Kados“ habe ich beispielsweise Tage in „Keryum-Umdrehungen“ umbenannt und Jahre als „Keryum-Umläufe“ bezeichnet und beide ein bisschen „verlängert“. Das Keryum ist der Stern, um den sich der Planet dreht – quasi wie die Erde um die Sonne. Alle Untereinteilungen mache ich in Anteilen – es gibt beispielsweise eine „Viertel-Umdrehung“ oder einen „Sechstel-Umlauf“. Das klingt zunächst ungewohnt, ist aber praktisch beim Schreiben und nachvollziehbar, wenn man der Geschichte folgt.

Natürlich nutze ich noch kleinere Zeiteinheiten, die aber vage gehalten sind und nur ein Gefühl vermitteln sollen. Die Hauptsache ist, dass die Leser zumindest grob verstehen, ob gerade 20 Sekunden, zwei Tage oder vier Jahre gemeint sind. In der Welt meiner Bücher hat das außerdem kulturelle und geschichtliche Hintergründe. Eine Zukunftszivilisation könnte so zum Beispiel ein genaueres Zeitverständnis haben als ein Stamm Urzeitmenschen.

 

Fazit

Diese Beispiele sollten dir einen guten Überblick darüber geben, was man beachten kann, wenn man eine Welt wirklich von der unseren absetzen will. Wie immer liegt es in deinem persönlichen Ermessen, wie viele von diesen Tipps du in deine Arbeit einfließen lassen möchtest. Ich versuche mittlerweile eine Balance zu finden, nachdem ich in meiner Anfangszeit als Autor wirklich jede Verbindung zu Maßeinheiten der echten Welt unterbinden wollte. Das soll nicht heißen, dass man das nicht machen sollte, aber bei „Die Legende von Kados“ habe ich mich dafür entschieden, erst später eine Währung einzuführen, Meter zu verwenden und Tage in „Umdrehungen“ umzuwandeln. Mache dir diese Gedanken, um deiner Welt eine Grundlage und vielleicht sogar noch ein bisschen mehr Tiefe zu geben.

Sind noch Fragen offen oder hast du Themenwünsche? Schreibe mir einfach an frage@kados.media oder über Social Media (@stubenvogel).

Ich wünsche viel Spaß beim Lesen und Schreiben!

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Medienschaffender und Autor der Buchreihe "Die Legende von Kados" sowie der Beiträge dieser Website.