Oft als „Worldbuilding“ bezeichnet, stellt das Ausdenken einer fiktiven Welt die Grundlage für viele Bücher, Filme und Spiele dar. Egal wie groß und fremd sie wird: Du solltest schon zum Beginn deines Schreibprozesses die Eckpunkte deiner neuen Welt festgelegt haben. Das heißt nicht, dass der Leser diese auch gleich auf der ersten Seite gänzlich kennenlernen muss. Hauptsache ist, dass du selbst weißt, in welcher Welt deine Geschichte spielt und welchen Regeln diese Welt folgt. Natürlich sind nicht alle Punkte für alle Genres und Geschichten wichtig, aber du solltest wissen, welche Möglichkeiten du hast, um deine Welt auszudefinieren.
Der Leser wird es höchstwahrscheinlich merken, wenn du dir nicht viele Gedanken gemacht hast. Das kommt bei einem längeren Epos natürlich eher zum Tragen, als bei einer Kurzgeschichte. Im Folgenden werde ich die wichtigsten Pfeiler des Weltenbaus mit dir durchgehen. Wahrscheinlich hast du dir bereits einige oder sogar alle dieser Punkte überlegt. Das passiert oft automatisch, während man seine Geschichte konzipiert. Schreibe am besten alles auf, damit du jederzeit darauf zurückgreifen kannst. Vielleicht können dir die folgenden Absätze einige Anreize für die weitere Ausarbeitung deiner Welt bieten.
Welches Zeitalter ist am ähnlichsten?
Oft hilft es, wenn man sich an der Menschheitsgeschichte orientiert – egal, ob ihr über Aliens, Menschen oder Orks schreibt. Ist die Technologie, die dem Großteil der Bevölkerung zur Verfügung steht eher antik, mittelalterlich, modern oder futuristisch? Nimm dir hierfür gerne Inspiration aus früheren Epochen oder lass deine Fantasie spielen. Wichtig ist nur, dass der Leser weiß, was man in der Welt erwarten kann, was deine Charaktere als normal hinnehmen und ob das Raumschiff hinter dem Haus des Hauptcharakters etwas Besonderes ist.
Du kannst selbstverständlich jederzeit neue Elemente hinzufügen oder Epochen mischen, solange man als Leser versteht, was man erwarten kann. Diese Erwartungshaltung kann man dann natürlich auch brechen. Darüber kannst du mehr in meinem Beitrag über spannende Wendungen lesen. Abonniere gerne meinen Newsletter, um immer auf dem Laufenden zu bleiben. Doch zunächst machen wir weiter mit der Karte.
Denke im Zusammenhang mit dem Zeitalter am besten auch schon über mögliche Gesetze und Moralvorstellungen deiner Welt nach. Diese helfen dir und dem Leser zu verstehen, was deine Charaktere in bestimmten Situationen denken könnten und wie ihre Umwelt auf deren Handlungen reagiert.
Wie sieht die Weltkarte aus?
Wenn du schon eine Weltkarte hast, dann ist das super – eine Skizze reicht für das Worldbuilding oft schon. Die Bereiche, die im Fokus der Story sind, sollten bestenfalls besonders detailliert sein. Das hilft mir persönlich auch beim Schreiben und der Abschätzung von Reisezeiten in der Welt. Wie viel von deiner Karte dann tatsächlich innerhalb deiner Geschichte bereist wird, das ist erstmal weniger wichtig.
Je mehr Arbeit du aber in die Erstellung der Weltkarte fließen lässt, desto greifbarer kann sich deine Welt anfühlen. Keine Sorge, die Karte muss nicht auf den Meter genau sein. Eine grobe Einteilung von Gebieten und Platzierung von wichtigen Punkten reicht in der Regel schon aus.
Wie man an die Erstellung einer eigenen Weltkarte heran gehen kann, erfährst du in meinem Beitrag über dieses Thema.
Welche Völker und Fraktionen gibt es?
Hier hast du sicher schon viele Vorstellungen. Schreibe auf, ob es verschiedene Völker gibt, wie Menschen, Elfen, Aliens und alles was dir sonst noch einfällt. Leben beispielsweise Menschen und Elfen zusammen oder getrennt? Was für Fraktionen und Nationen gibt es? Herrscht Krieg zwischen ihnen, kämpfen sie gemeinsam gegen eine größere Bedrohung oder ist deine Welt durchweg harmonisch? Die Beziehungen untereinander können viel Einfluss auf die Handlungen deiner Charaktere haben und machen die Welt gleich viel interessanter.
Völker-Beziehungen können sich außerdem im Verlauf der Geschichte verändern. Das bringt vielleicht extra Spannung in die Geschichte, wenn es richtig umgesetzt ist. Mache dir also nicht nur über die einzelnen Charaktere Gedanken, sondern auch über die größeren Gruppierungen, deren Motivationen und Eigenheiten. Dadurch gewinnt deine Welt an Lebendigkeit und das vereinfacht dir in der Regel wiederum das Schreiben der Geschichte.
Lass dich dabei beispielsweise nicht von den klassischen Fantasy-Völkern eingrenzen, sondern schaffe auch neue, wenn du das möchtest. Falls du das machst, denke aber daran, dass deine Leser zu diesem neuen Volk vermutlich nicht direkt ein Bild im Kopf haben. Dann ist es ganz allein deine Aufgabe diese Schöpfung im Kopf deiner Leser lebendig werden zu lassen. „Orks“ haben in der Regel einfach weniger Erklärungsbedarf, als die neuen „Schmorks“.
Jetzt hast du vielleicht schon genug, um dich sicher in der Welt zu bewegen. Doch der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Du kannst noch wesentlich mehr Dinge in deiner Welt einführen, diese präzisieren und den Leser noch tiefer eintauchen lassen. Hier kommen einige Beispiele für mehr Tiefgang.
Was ist bereits in deiner Welt geschehen?
Deine Geschichte beginnt vermutlich nicht am Anfang der Zeit. Überlege dir, was vorher passiert ist, wenn du das nicht sowieso schon längst hast. Wie sind die Fraktionen entstanden, was haben deine Charaktere vorher getan und was sind die wichtigsten historischen Ereignisse? Erzählt man sich althergebrachte Legenden? Wie weit reichen die Geschichtsaufzeichnungen zurück? Je mehr du selbst über die Vergangenheit deiner Welt weißt, desto besser.
Der Leser muss natürlich nicht mit all diesen Informationen bombardiert werden. Vielleicht sind einige Dinge nur für dich bestimmt. Ich liebe es mir die Vergangenheit von „Kados“ auszudenken, auch wenn meine Charaktere im Buch nicht viel über sie wissen – die Kadoner haben es mit der Geschichtsschreibung wohl nicht so ernst genommen. Aber trotzdem bieten sich immer wieder Gelegenheiten, um Kleinigkeiten mit in die Geschichte einfließen zu lassen und dem Leser das Gefühl zu geben, dass da mehr ist.
Ich habe einen Beitrag über Bilder in Büchern geschrieben und dort erklärt, dass es manchmal besser ist, nicht sofort alles zu erzählen. Im schlimmsten Fall langweilt man den Leser damit sogar. Das darf man gelegentlich machen, aber zumeist ist es besser, wenn der Leser sich erst etwas fragt, bevor er die Antwort erhält. Natürlich heißt das nicht, dass man den Leser um jeden Preis möglichst lange im Dunklen lassen soll. Es ist schwer immer den richtigen Zeitpunkt zu erkennen. Hauptsache man findet einen Mittelweg und bekommt weder ein „ich verstehe nichts“, noch ein „das wird mir langsam zu viel“.
Letztendlich ist es wichtig, dass deine Welt eine Vergangenheit hat und du diese kennst. Inwieweit du sie dann in die Geschichte einfließen lässt, bleibt dir überlassen.
Brauche ich ein Magiesystem?
Zauberei kann Beiwerk oder ein zentrales Element bei deiner Geschichte sein. Doch wenn Magie in deinem Buch vorkommt, dann brauchst du ein System. Du solltest festlegen, was diese Zauberkraft kann und was nicht. Was kann der größte Magier und was die kleineren? Wer und was ist magisch und welche Herausforderung könnte es bei dem Erlernen und Verstehen von Magie geben? Kostet es den Magier Mana, Lebenskraft oder Willensstärke, wenn er zaubern möchte? Was kann man mit Magie machen und bewirken?
Ein Regelwerk bietet einen guten Rahmen für die Möglichkeiten und Herausforderungen deiner Charaktere. Wenn du keine Regeln festlegst und diese dementsprechend auch nicht in die Geschichte einfließen lässt, dann kann der Leser nur schwer nachvollziehen, ob der magiebegabte Held gerade vor einer großen Bedrohung steht oder sie mit einem Fingerschnippen aus dem Weg räumen kann. Nicht vergessen: Schwächen machen Charaktere glaubhafter, interessanter und wecken eher Verbundenheit. Falls du mehr über die Details der Charaktererstellung erfahren möchtest, dann empfehle ich meinen Beitrag über die Entwicklung von tiefgründigen Charakteren. Dort sind die wichtigsten Tipps zusammengefasst.
Je mehr Gedanken du in dein Magiesystem steckst, desto besser kannst du in der Regel damit arbeiten. Sorge unbedingt dafür, dass der Leser abschätzen kann, was möglich ist. Dann kannst du ihn sogar noch besser überraschen. Denn ein Held oder Bösewicht kann nur das Unmögliche schaffen, wenn klar ist, was normalerweise möglich ist.
In „Die Legende von Kados“ verwende ich zwar kein Magiesystem, aber das Prinzip lässt sich auch auf fiktive Ressourcen, Technologien und Völker anwenden. Es ist einfach wichtig Eigenschaften, Möglichkeiten und Limitationen festzulegen, damit man besser arbeiten kann und die Welt für den Leser nachvollziehbar ist. Du kannst dabei ein Punktesystem nutzen und mit Zahlen arbeiten oder nur grobe Richtlinien festlegen – die Ausführung bleibt ganz dir überlassen.
Wie bizzar kann meine Welt werden?
Deiner Fantasie sind eigentlich keine Grenzen gesetzt. Wenn du eine komplett chaotische oder durchweg unverständliche Welt erschaffen möchtest, dann kannst du das tun. Das kann in manchen Fällen funktionieren. In den meisten Fällen sollte die eigene Welt aber einigen Regeln folgen. Vor allem, wenn man glaubhafte Fantasy-Welten erschaffen möchte, schadet ein gewisses Maß an Bodenständigkeit nicht. Trau dir einen Fuß in der Realität zu lassen – nicht alles muss neu und unbekannt sein. Man kann sich als Autor schnell darin verlieren eine immer abstrakter werdende Welt zu schaffen, in der kein Stein auf dem anderen bleibt. Ab einem gewissen Punkt sollte man nochmal zurücktreten und sich fragen, ob man dem Leser vielleicht doch ein paar bekannte Elemente lässt.
Bei den meisten Fantasy- und auch Sci-Fi-Welten laufen die Menschen beispielsweise auf ihren zwei Beinen durch die Gegend. Das ist nachvollziehbar und sinnig. Natürlich könnten sie auch ausschließlich fliegen, sich teleportieren oder sich durch die Gegend rollen, aber braucht es wirklich diese Entfremdung? Das heißt nicht, dass deine Charaktere auf gar keinen Fall fliegen dürfen – das war nur ein Beispiel. Doch auch ein so einfaches Beispiel wirft sofort viele Fragen auf, die ihr vielleicht erklären müsst. Wie sehen die Gebäude aus? Wie hoch und lange können sie fliegen? Warum können sie das überhaupt?
Das kann Spaß machen und Sinn ergeben – aber je mehr fremde Elemente man in seine Welt aufnimmt, desto komplizierter kann alles werden. Man kann sich als Autor wirklich in solchen Dingen verlieren. Schlimmer noch: man verliert vielleicht den Fokus auf die Geschichte. In den meisten Fällen erweckt nämlich diese erst die eigene Welt zum Leben und hält die Leser am Buch. Ich möchte nur, dass du weißt, dass du nicht jeden Aspekt deiner Welt neuerfinden musst. Es ist gut, wenn man bekannte Elemente wiederfindet. Die muss man dann auch nicht großartig erklären – das spart im Zweifelsfall ein paar Zeilen und du hast sicher noch viele andere spannende Informationen, die du stattdessen in die Geschichte einweben kannst.
Die Regeln legst du selbst fest
Du hast sicherlich gemerkt, dass man wirklich jeden Aspekt in der eigenen Welt bis ins kleinste Detail ausdefinieren kann. Oft entwickelt sich die Welt während des Schreibprozesses noch weiter, man hat neue Einfälle und ändert vielleicht auch noch einige Dinge. Achte einfach darauf, dass du in deiner Geschichte keine widersprüchlichen Informationen einbaust, insofern das nicht zum Konzept gehört. Selbstverständlich darfst du deine Welt so gestalten, wie du möchtest – es gibt schließlich keine Vorschriften.
Ich hoffe meine Tipps helfen dir in deinem kreativen Prozess etwas weiter. Solltest du noch Fragen haben oder möchtest, dass ich vertieft auf ein Thema eingehe, dann schreibe mir an frage@kados.media oder bei Social Media (@stubenvogel).